Die repräsentative Studie des Forschungsinstituts HF Partners zu Risiken im Onlinehandel mit ausländischen Shops belegt, dass der Preis beim Kauf von Spielzeug, Bekleidung und Accessoires sowie von Elektronikgeräten das wichtigste Kaufkriterium ist. Das Kaufverhalten zeigt über alle Altersgruppen (18 bis über 65 Jahre) hinweg ein recht ausgeglichenes Bild. Interessant dabei ist, dass entgegen landläufiger Meinung, nicht nur Junge bei ausländischen Marktplätzen wie Temu und Shein einkaufen. Bei Temu beispielsweise kaufen 30-60 Jährige besonders stark ein. Im Fashion Bereich hingegen zeigt sich, dass Junge von Shein und Zalando stark angesprochen werden.
Der Preis zählt – aber nicht für alle
Wenig überraschend haben der Preis und andere finanzielle Aspekte (wie Zölle und Lieferkosten) einen enormen Einfluss auf den Kaufentscheid: Rund die Hälfte der Befragten ist bereit, Spielwaren und Kleidung, sowie Schuhe und Accessoires bei einem günstigen Onlineshop in Asien oder Amerika zu einem attraktiven Preis zu kaufen. Im Umkehrschluss sind somit rund die Hälfte der Konsumenten nicht bereit, nur wegen eines attraktiven Preises im entfernten Ausland einzukaufen. Signifikant tiefer ist der Wert bei Elektronikartikeln – hier würden nur 35% der Befragten das Gerät in einem weit entfernten Online-Shop erwerben.
Das Vertrauen in den Schweizer Detailhandel ist enorm
Positiv hervorzuheben ist, dass das Vertrauen in den Schweizer Handel enorm ist: 89% der befragten Personen gaben nämlich an, grosses Vertrauen in Schweizer Onlinehändler zu haben, jedoch nur 25% in Onlineshops aus dem entfernten Ausland.
Die vier Verbände Handel Schweiz, SENS eRecycling, Spielwaren Verband Schweiz und SWISS RETAIL FEDERATION sind sich einig: Die Studie belegt das grosse Vertrauen in den Schweizer Handel, dennoch wird vermehrt bei chinesischen Anbietern wie Temu, Aliexpress, Wish und Shein eingekauft. Die Diskrepanz zwischen Vertrauen und Kaufverhalten ist paradox. Während Schweizer Händler strengste Auflagen erfüllen müssen und Abgaben entrichten, umgehen ausländische Plattformen systematisch lokale Vorschriften und Gebühren.
Risikowahrnehmung beeinflusst Kaufverhalten kaum
Die Daten der Studie zeigen, dass Bedenken über Gesundheitsrisiken wie Produktsicherheit und giftige Inhaltsstoffe sowie finanzielle und rechtliche Risiken, wie Liefer- und Rücksendekosten und Zollgebühren bzw. Kreditkartenbetrug, am ehesten von einem Kauf im entfernten Ausland abhalten. Moralisch-ethische Bedenken sowie Umweltrisiken bezüglich der Herstellung und dem Transport der Waren wiederum beschäftigen die Konsumenten kaum. Der Reiz des tiefen Preises ist grösser.
Angela Bearth, Studienleiterin von HF Partners, interpretiert die Ergebnisse der Studie so: «Die gesundheitlichen Risiken werden beim Kauf von Spielwaren, Kleidung, Schuhen und Accessoires in Onlineshops aus dem entfernten Ausland augenscheinlich noch unterschätzt. Zudem steht beim Kaufvorgang der wahrgenommene Nutzen im Zentrum, während finanzielle und rechtliche Risiken eher ausgeblendet werden.»
Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten nur ungenügend für die Anzeichen, dass ein Onlineshop aus dem (entfernten) Ausland stammt, sensibilisiert sind: Lediglich 16% der Befragten schauen sich das Impressum eines ihnen unbekannten Onlineshops immer an, während sich rund ein Drittel auf das Aussehen oder die Domäne der Website verlässt.
Spielwarenbranche: Kindersicherheit auf dem Spiel
Für Hans-Christian von der Crone, Präsident des Spielwaren Verbands Schweiz (SVS) ist es unverständlich, dass das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zwar löblicherweise vor Spielwaren von Temu und anderen asiatischen Onlineshops warne, der Bundesrat sich aber gleichzeitig ausserstande sieht, das Problem zu lösen. Die Testresultate des SVS sind alarmierend: «Nachweislich ist unter den 500'000 Paketen, die täglich aus Asien per Luftfracht die Schweiz erreichen, ein viel zu hoher Anteil an gefährlichen Spielwaren mit verschluckbaren Kleinteilen und hochgiftigen Stoffen, die im Schweizer Handel nicht zugelassen sind. Mehr als 80% der Spielzeuge aus China, die über Plattformen wie Temu vertrieben werden, wären im Schweizer Detailhandel nicht zugelassen», so von der Crone.
Der Bundesrat ist aufgefordert zu handeln: «Es ist unverständlich und zynisch, dass der Bundesrat bei Privatimporten von Spielwaren Eigenverantwortung fordert, zumal die eigentlichen Konsumenten Kinder sind, die die Gefahren nicht kennen. Zudem nehmen Kleinkinder Spielzeug oft in den Mund und sie reagieren besonders empfindlich auf Schadstoffe», sagt von der Crone. Damit werde die Kindersicherheit wissentlich aufs Spiel gesetzt.
Der SVS warnt denn auch explizit vor dem Kauf von Weihnachtsgeschenken auf Onlineshops ausserhalb Europas und empfiehlt, bei Schweizer Anbietern, ob online oder stationär, einzukaufen. Spielsachen im Schweizer Handel müssen laut SVS sicher sein und der Schweizer Spielzeugverordnung, dem Produktsicherheitsgesetz und je nach Art des Spielzeugs weiteren Verordnungen entsprechen. Die Einhaltung dieser Gesetze wird von den Kantonslaboratorien systematisch überwacht.
Detailhandel: Fertig mit «Milionen-Subventionen» für ausländische Plattformen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind dramatisch: So rechnet die SWISS RETAIL FEDERATION im Rahmen der Halbjahresauswertung zu den Debit- und Kreditkartentransaktionen mit einem Umsatzrückgang im Detailhandel von -1.9% gegenüber der Vorjahresperiode. Währenddessen legen besonders asiatische Online-Marktplätze weiter stark zu. Allein Temu erziele gemäss konservativen Schätzungen einen Umsatz von geschätzen 700 Millionen Franken in der Schweiz. Dagmar Jenni, Direktorin der SWISS RETAIL FEDERATION: «Der Schweizer Detailhandel verliert täglich Marktanteile an Anbieter, die sich nicht an die gleichen Regeln halten müssen wie hiesige Anbieter. Diese systematische Umgehung von Vorschriften entspricht einer millionenschweren Subventionierung ausländischer Anbieter zulasten rechtschaffener Schweizer Unternehmen.»
In Bundesbern sei eine Vielzahl an parlamentarischen Vorstössen hängig, mit welchen nicht nur sichergestellt werden soll, dass Temu und Co. dieselben gesetzlichen Vorgaben wie Schweizer Händler einhalten müssen, sondern insbesondere auch, dass diese Regeln in gleichem Masse vollzogen werden. Eine Behandlung mehrerer Vorstösse anlässlich der Wintersession sei längst überfällig, so Jenni.
Grosshandel: Gleiche Spielregeln für alle
Dass es sich bei Lieferungen aus asiatischen Online-Shops in den Augen des Bundesrats um Privatimporte handle, beurteilt auch der Direktor von Handel Schweiz, Kaspar Engeli, als fragwürdig: «Freihandel muss regelbasiert funktionieren, und für alle Player müssen gleiche Spielregeln gelten. Dies gilt für den Handel ganz allgemein, ob B2B oder B2C. Der Import garantiert die Versorgungssicherheit der Schweiz. Dafür braucht es faire Regeln.»
Recyclingbeitrag als weiteres Beispiel für Ungleichbehandlung
Zur Wettbewerbsverzerrung trägt auch der vorgezogene Recyclingbeitrag (vRB) bei: Nur 37 % der Befragten wissen, dass der Beitrag bei Elektronikgeräten aus dem Ausland nicht automatisch anfällt. 54% haben noch nie eine solche bei Auslandskäufen freiwillig nachbezahlt; dies tun lediglich 8%. Die Konsequenz: Während Schweizer Importeure und Händler die Recyclingbeiträge für die spätere Sammlung und die Verwertung der Geräte bezahlen, gelangen Tausende Tonnen Elektronik ohne diesen Beitrag ins Land. Die Kosten für das fachgerechte Recycling dieser «Gratis-Importe» müssen am Ende von der Allgemeinheit und den ehrlichen Zahlern getragen werden.
Pasqual Zopp, Geschäftsführer von SENS eRecycling fordert: «Ausländische Online-Plattformen müssen den Herstellern und Importeuren gleichgestellt werden. Wer Produkte in die Schweiz liefert, soll sich auch an der Finanzierung des Recyclings beteiligen.»
Forderung an Bundesbern
Der Spielwaren Verband Schweiz, die SWISS RETAIL FEDERATION, Handel Schweiz sowie SENS eRecycling fordern von der Politik, die bestehende Diskriminierung inländischer Händler endlich zu beenden und für alle Marktteilnehmer gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Für ausländische Online-Marktplätze und Schweizer Händler müssen in Bezug auf Regulierung und Vollzug bei Produktesicherheit, Lauterkeit, Datenschutz, Steuererhebung und Umweltabgaben
diesselben Standards gelten.
Aus diesen Gründen fordern die beteiligten Organisationen:
- Schaffung gleich langer Spiesse für alle Akteure im Schweizer Handel, auch für ausländische Online-Plattformen
- Verschärfte Produktsicherheits- und Mehrwertsteuerkontrollen bei den täglich 500'000 Paketen aus Asien
- Administrative Massnahmen bei der Durchsetzung der MWST-Plattformbesteuerung
- Bearbeitungsgebühr für die Einfuhr von Paketen von ausländischen Online-Plattformen um risikobasierte Kontrollen zu ermöglichen
- Konsequente Unterstellung der Einfuhr von Lebensmitteln oder Gebrauchsgegenständen für den Privatgebrauch unter die Schweizer Produktesicherheitsgesetzgebung
Über die Studie
Die Studie wurde von HF Partners, einem Spin-off der ETH Zürich,im September 2025 durchgeführt
und basiert auf qualitativen Interviews mit Experten/-innen, Konsumenten/-innen und einer
repräsentativen Befragung von 2'137 Schweizer Konsumenten zum Online-Kaufverhalten bei
ausländischen Anbietern. Sie erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Spielwaren Verband Schweiz,
Handel Schweiz, der SWISS RETAIL FEDERATION und SENS eRecycling. Die detaillierten
Studienergebnisse können hier eingesehen werden.
Zur Studie